Wissenschaftler entdeckten einen neuen Zelltyp, der offenbar lebensbedrohliche Nahrungsmittelallergien in Gang setzt. Möglicherweise lässt sich so erklären, warum einige Menschen sehr stark allergisch reagieren und andere nicht.
Forscher vom zentralen Cincinnati Kinderkrankenhaus berichten, dass ihr Fund bei Labormäusen auch Einblicke in neue therapeutische Strategien und Diagnosemöglchkeiten für Lebensmittelallergien eröffnet, die bis um anaphylaktischen Shock reichen, ausgelöst vom Immun-Antikörper IgE (Immunglobulin E).
Die Autoren berichten über ihre die Entdeckung, die sie “IL-9-produzierende Mukosale Mast-Zellen” nennen (MMC9-Zellen). Die Zellen produzieren große Mengen eines entzündungsauslösenden Immunproteins mit Namen Interlukin 9 (IL-9), das das Risiko eines anaphylaktischen Schocks als Reaktion auf allergieauslösende Nahrungsmittel stark erhöht. Vor dieser Studie war die primäre Zell-Quelle von IL-9 noch völlig unbekannt.
„Unsere Studie legt nahe, dass es zwar eines bestimmten Levels von IgE bedarf, um eine Lebensmittelallergie auszulösen, dass man aber ebenfalls MMC)-Zellen produzieren muss, um eine schwere Reaktion und einen anaphylaktischen Schock auszulösen.“ berichtet Yui-His Wang, Dozent, Leiter der Untersuchung und und Forscher in der Abteilung für Allergie und Immunologie am Kinderhospital in Cincinnati. „Ohne diese Zellen keine heftigen Lebensmittelallergien“.
Ausgelöst durch Nahrungsmittel wie Erdnüsse oder Schellfisch, lässt die IgE-abhängige Lebensmittelsensitivität das Immunsystem einiger Kinder völlig außer Kontrolle geraten. Wird nicht unmittelbar eingegriffen, kommt eine molekulare Kettenreaktion in Gang, die die Verdauungs- und andere Organe in Mitleidenschaft zieht: Durchfall, Unterkühlung, Atmungsprobleme und Schock.
Etwa 40% aller Kinder leiden unter einer Form von IgE-abhängiger Lebensmittelsensitivität, doch nur 8% von ihnen entwickeln die schweren Reaktionen, die zu einem anaphylaktischen Schock führen können.
„Unglücklicherweise besteht nach wie vor die einzige Behandlungsform dieser Allergien darin, dass man die auslösenden Nahrungsmittel vermeidet,” stellt Wang fest. „Wir wissen nicht, warum manche Patienten so heftig reagieren und manche nicht. Hier mussten wir mit Mäusen arbeiten, um dem Problem auf die Spur zu kommen.”
Wang und seine Kollegen vermuteten, dass einige Menschen genetisch bedingt empfänglicher sind für schwere IgE-abhängige allergische Reaktionen. Es ist jedoch noch immer unbekannt, welche Rolle die Genetik bei diesen molekularen Kettenreaktionen spielt.
Ebenso wie Menschen mit Lebensmittelallergien sind auch Mäuse von ihnen betroffen – in jeweils unterschiedlich starker Ausprägung. Darum führte das Forscherteam seine Untersuchungen auch an genetisch unterschiedlich veranlagten Mäusen durch. Sie verabreichten den Mäusen ein Protein mit Namen Ovalbumin (aus dem Ei), das allergische Reaktionen auslöste und studierten die resultierenden allergischen Reaktionen.
Sie beobachteten, dass nach der allergischen Sensibilisierung einige Mäuse-Stämme große “Populationen” von MMC9-Zellen entwickelten, andere nicht. Mäuse, die dies nicht taten, reagierten auch kaum allergisch. Mäuse, die in ihren Eingeweiden MMC9-Zellen herstellten, erlitten alle schwere allergische Reaktionen, unabhängig davon, ob ihr Level von IgE hoch oder niedrig war.
Wang und seine Kollegen berichten, dass die Produktion von MMC9-Zellen nur möglich ist, wenn Typ-2-CD4-+T Immunhelferzellen und die Proteine Interlukin-4 und STAT6 zusammentreffen. Werden große Mengen von IL-9 hergestellt, erzeugen die MMC9-Zellen ihrerseits Mastozytose und die Produktion von Mastzellen, die wiederum aus dem Darmsystem in andere Organe Wandern, dort Histamine und andere Moleküle ausscheiden, die schließlich zu einem anaphylaktischen Schock führen.
Um zu bestätigen, dass die MMC9-Zellen die starken allergischen Reaktionen in Mäusen auslösten, behandelte das Team die Mäuse mit einem Antikörper ( (anti-FcRI mAb), der die Zellen ausschaltete – prompt ließen die Symptome der Nahrungsmittelallergie nach. Wurden den Mäusen wieder MMC9 Zellen übertragen, zeigten die Tiere erneut Allergiesymptome.
Als nächstes führten die Wissenschaftler Tests durch, um zu sehen, ob die Identifikation der MMC9-Zellen auch für die Entstehung menschlicher Lebensmittelallergien relevant wäre. Sie analysierten das Material aus Biopsien des Darmes von Lebensmittelallergie-Patienten (mit deren Erlaubnis) und suchten nach molekularen Signaturen für MMC9-Zellen. Sie fanden auffallend angestiegene Ausdrucksformen des genetischen I19-Transkriptes und andere, verwandte Transkripte in diesen Proben. Das lässt ähnliche Zusammenhänge beim Menschen erahnen.
Wang sagt, dass die Forscher nur versuchen, das menschliche Gegenstück der MMC9-Zellen zu finden. Ein Ziel der Wissenschaftler ist es, diese Zelle zu identifizieren, ebenso ihre biologischen Auslöser oder “Vermittler”, um zu sehen, ob es möglich ist, einen Biomarker zu entwickeln. Dieser könnte es gestatten, Bluttests auf Allergien durchzuführen. Mit solchen Tests ließe sich feststellen, welche Patienten einem größeren Risiko ausgesetzt sind, an schweren Lebensmittelallergien zu erkranken. Die Entwicklung wirksamer Medikamente für solche Fälle ist ebenfalls geplant.